Thread Reader
Pace

Pace
@theotherphilipp

Sep 23, 2022
34 tweets
Twitter

Ich hatte in den vergangenen Tagen mit @🚀Christoph Bergmann🚀 einen interessanten & überwiegend konstruktiven Disput zu meinem #EnergiewendeParadox-Thread 👉twitter.com/theotherphilip… Ich möchte daher ein paar neue Aspekte ergänzen & auch auf die Kritik eingehen.

Pace

Pace
@theotherphilipp

Das #EnergiewendeParadox Das Grüne Mantra der erneuerbaren Energien, als Ausweg aus der fossilen Abhängigkeit, ist ein verheerender Irrweg. Tatsächlich manifestiert der Ausbau der Erneuerbaren die Abhängigkeit von #Öl und #Gas. Ein 🧵.
1/ Wie so oft auf Twitter, zerfaserte die Diskussion zum Schluss leider im Kleinklein & verlor sich in Dutzenden Drukos. Daher möchte ich hier noch einmal meine Gedanken ordnen, weil ich glaube, dass es von fundamentaler Bedeutung ist, die Probleme der #Energiewende zu verstehen.
2/ Zunächst noch einmal die These in superknapp: Ein voll EE-ausgebautes Netz benötigt immense Speicher, um die Residualvolatilität auszugleichen. Da dieser unmöglich bis 2040 geschaffen werden kann, erhöht der EE-Ausbau unsere Abhängigkeit von #Gas als schnelles Backup.
3/ Zu den wesentlichen Kritikpunkten gehörte, meine Sprache sei toxisch & abwertend, es gebe für alle von mir in Zweifel gestellten Punkte schon Lösungen, wir hätten ja schon einen hohen EE-Anteil & ich verbreitete Desinformation.
4/ Vorweg: Ich wünschte, ein tragbarer Weg zu einem Netz aus 100% Erneuerbaren, das stabil, versorgungssicher & bezahlbar ist, wäre absehbar möglich. Wer wollte das nicht? Ich meine aber, dass wir (lange) nicht so weit sind & die aktuelle #Energiekrise zeigt das überdeutlich.
5/ Zur "toxischen" Sprache: Ich weiß zwar nicht, was das genau sein soll, aber offenbar sind heute Begriffe wie "Ideologie", "Irrweg" oder "Mantra" etwas, das sich nicht gehört. Mein Thread war aber, twitterüblich, als persönlicher Kommentar formuliert.
6/ Dabei benutze ich selbstredend werturteilendes Vokabular. Nicht weil ich gern trolle, sondern weil mich die gegenwärtige Situation emotional anfasst, mich die einfältige Reaktion der BuReg darauf zutiefst erschüttert & ich das auch zum Ausdruck bringen können möchte.
7/ Habe ich überspitzt formuliert? Auf jeden Fall. Ist das kritikwürdig? Fragen sie Abgeordnete, die mit sehr kreativen Zuspitzungen ihre Bundestagsreden verzieren. Dabei waren auch die Grünen nie zimperlich. Schließlich, niemand muss meinen Text lesen.
8/ Alle Probleme gelöst? Wir benötigen massive Stromspeicher, für d. es absehbar keine tragfähige Lösung gibt, weshalb Gaskraftwerke, d. als schnelle Backups fungieren können, ausgebaut werden müssen. Selbst d. Fraunhofer ISE weist in einem überschwänglich positiven Papier zur…
9/ Photovoltaik darauf hin, dass ein EE-Netz zwingend Speicher für den Bedarf mehrerer WOCHEN Strom benötigt. Sagen wir optimistisch 20TWh? Wo kommen die her? Das ISE geht davon aus, dass dies durch leistungsstarke P2G-Systeme realisiert werden wird. ise.fraunhofer.de/content/dam/is…
10/ Heute gibt es aber praktisch keine solcher Anlagen im großen Maßstab. Wie diese in nur 18 Jahren entstehen sollen, wer sie baut, was sie kosten, was ihr Betrieb kosten wird: All das bleibt im Ungefähren. Ein konkreter Plan? Findet sich nirgends. Nicht einmal zu den…
11/ Wirkungsgraden gibt es belastbare Aussagen, nur viel Konjunktiv & Optimismus. Schwierig. Dieses Land hat 18 Jahre gebraucht, um einen Flughafen zu bauen! Aber 20 TWh Hochleistungsspeicher, der im Stande sein muss, im Extremfall…
12/ 150 GW Strom in Echtzeit ins Netz einzuspeisen, das soll kein Problem sein? Ich gehe davon aus, sämtliche verfügbaren Technologien sind dem ISE bekannt, das Papier ist vom 21.09.2022 & ein flammendes Plädoyer für die Erneuerbaren. Haben die etwas übersehen?
13/ Eher nicht. Denn auch das ISE erörtert lang & breit Gaskraftwerke als "Komplementärkraftwerke". Über Zeiträume macht das Papier beflissentlich keine Angaben, aber ich gehe davon aus, dass man auch dort sehr genau weiß, dass der Speicherausbau noch Jahrzehnte brauchen wird…
14/ und erst in Jahren beginnen kann. Ein Megawatt Gastromleistung kostet in der Errichtung heute ~1 Mio. €. Gegenwärtig sind ~28 GW Gasleistung installiert. Um auf eine Backupleistung von ~60-100 GW zu kommen, wären Investitionen von rund 32-72 Mrd. € nötig. Nur für Gas!
15/ Schon aufgrund simpler Abschreibungsmodelle, werden solche Kraftwerke 20 - 30 Jahre laufen. Doch was bedeutet das? Herr Holzheu, selbst großer Verfechter eines raschen EE-Ausbaus, hat ein interessantes & für jeden nutzbares Simulationstool entwickelt. holzheu.shinyapps.io/100PercentEE/
16/ Basierend auf den Werten für das Jahr 2021, kann getestet werden, wie die Stromversorgung in einem EE-Netz abhängig vom Ausbaugrad aussehen könnte. Derzeit werden pro Jahr ca. 5 GW Photovoltaik (PV), 2 GW Windkraftanlagen (WKA) an Land & 1 GW auf See ausgebaut.
17/ Zwar will die BuReg den Ausbau massiv beschleunigen, aber wie genau das angesichts einer sich verschärfenden Supply-Chain- & Rohstoffkrise, Inflation & immer weniger Flächen für WKA gehen soll, bleibt unklar. Auch der PV-Ausbau hinkt schwer den Ausbauzielen hinterher.
18/ Schreibt man die derzeitigen Zahlen auf die nächsten 18 Jahre bis 2040 fort, hätte man, verglichen mit heute, 3-fach PV, 2-fach Windkraft an Land & sogar 3,4-fach auf See ausgebaut. Die installierte EE-Leistung würde sogar die heutige Netzgesamtleistung ~230 GW übertreffen.
19/ Die Kosten allein für diesen Ausbau betrügen ~170 Mrd. €. Und die wichtigste Folge: Behäbige Grundlastkraftwerke sind mit dieser Netzinfrastruktur nicht mehr kompatibel. Es werden schnell anlaufende Backupkraftwerke benötigt…
20/ die eigentlich nur mit Gas oder Öl betrieben werden können. Die Ergebnisse der Simulation mit diesen Parametern, sind denn auch ernüchternd. Holzheu unterteilt die fossilen Energieträger noch nach Kohle & Gas.
21/ Sieht man sich jedoch die Residualvolatilität der Simulation an, wird schnell klar, dass eigentlich nur schnelle Gas- oder Ölkraftwerke hierfür in Frage kommen. Daher fasse ich alle Werte für Gas + Kohle allein als Gas (Öl) basierte Leistung auf.
22/ Real wurden in 2021 ~82 TWh durch Gasverstromung gewonnen. Nach dem oben beschriebenen Ausbau, steigt dieser Wert sogar auf 89,9 TWh. Ja, insgesamt geht die konventionelle Stromerzeugung zu Gunsten der EE deutlich zurück. Primär jedoch zu Lasten der CO2-armen Kernenergie.
23/ Die Mär von einer Unabhängigkeit fossiler Importe bis 2040, die ja im Zuge des Ukrainekonfliktes als weiterer Grund für einen raschen EE-Ausbau vorgeschoben wird, bewahrheitet sich nicht. Diese ließe sich vermutlich erst…
24/ mit einem massiven Ausbau der EE auf über 400-600 GW installierte Leistung & hinreichend dimensionierten Speichern erreichen. Ist das machbar? Vermutlich. Nur sicher nicht in den nächsten 20-30 Jahren.
25/ Welche Ressourcenprobleme & Umweltschäden auf der anderen Seite der Bilanz stehen, wenn man die, verglichen mit heute, 3-fache Leistung installieren muss, um auf d. gleichen Output zu kommen & diese alle 20-30 Jahre eine Austausch benötigt, das wäre einen eigenen Thread wert.
26/ Auch inwiefern das Verschieben der Abhängigkeiten von dysfunktionalen Öl- und Gasexportstaaten hin zu dysfunktionalen Rohstoff- und Technologielieexportstaaten eine Verbesserung darstellt, muss mir noch einmal jemand erklären.
27/ Und was genau soll eigentlich der Umstand beweisen, dass wir schon heute einen hohen EE-Anteil von fast 50% haben? Nur gut die Hälfte davon kommt aus volatiler Sonne & Wind. Dass d. Netz damit im Moment noch umgehen kann, kann keine Überraschung sein. Das beweist gar nichts.
28/ Was haben wir am Ende dieses Mammutprojektes, mit zahllosen, zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärten, Fragen gewonnen? Die Gleiche CO2 Neutralität ließe sich mit weniger Risiken & Kosten durch einen beherrschbaren Ausbau der EE & eine gleichzeitige Weiternutzung von KKW erreichen.
29/ Irritiert hat mich dann schlussendlich doch der Vorwurf, ich verbreitete Desinformation. Twittertypisch, entglitt der Diskussionsstrang leider zwischenzeitlich & diese Keule wird heute allzu leichtfertig & oft mit großem Genuss geschwungen.
30/ Zunächst einmal ist ein Begriff wie Desinformation wissenschaftstheoretisch schlicht Unsinn. Wer damit operiert, insinuiert im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. Er ist dogmatisch & eigentlich das Ende jeder brauchbaren Debatte.
31/ Ich habe einen Diskursbeitrag geleistet & diesen auch versucht zu begründen. Den kann man nun gern kontrovers diskutieren. Alles, was ich postuliert habe, kann sich als falsch herausstellen. Aber Desinformation? Solcherlei Anwürfe sind ein sicheres Zeichen für Hilflosigkeit.
32/ Ein gigantisches Projekt wie die Energiewende verlangt nach äußerst sorgfältigen Abwägungen. Die Versorgungssicherheit mit bezahlbarem Strom, ist eines der Fundamente unserer Wohlstands & diese zu gefährden, kommt einem Himmelfahrtskommando gleich.
33/ Wie Popper einst sagte: "Jedes Mal, wenn Ihnen eine Theorie als einzig mögliche erscheint, nehmen Sie dies als ein Zeichen, dass Sie weder die Theorie noch das Problem verstanden haben, das zu lösen beabsichtigt wurde." 🔚
Pace

Pace

@theotherphilipp
Philosophy • Literature • Politics • Science
Follow on Twitter
Missing some tweets in this thread? Or failed to load images or videos? You can try to .