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Mark Dittli

Mark Dittli
@MarkDittli

Mar 18, 2023
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Der Fall #CreditSuisse ist diese Woche heiss und emotional diskutiert worden. Leider in einzelnen Medien z.T. auch unpräzise. Mein Versuch einer Einordnung als Thread 👇 (ohne Anspruch auf vollständiges Wissen, nur meine bescheidene Observation und Einschätzung)

1/ Das Wichtigste: Was die CS von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) als Liquiditätshilfe erhalten hat, war *kein* Bailout und *keine* Staatshilfe im Sinne der Hilfen, die im Herbst 2008 für viele Banken (inkl. UBS) nötig waren.
2/ Was ist geschehen? Die CS wurde am 15.3. Opfer einer Panikwelle an den Märkten. Unmittelbar ausgelöst wurde die Panik von der (z.T. aus dem Kontext gerissenen) Aussage des Chairman der Saudi National Bank, man werde «bestimmt» kein weiteres Kapital in die CS einschiessen.
3/ Diese Aussage flackerte als «News Flash» am Mittwochmorgen so über die Bloomberg-Bildschirme:
4/ «aus dem Kontext» war die Aussage in dem Sinne, dass eine weitere Kapitalinvestition der Saudi NB zu diesem Zeitpunkt gar nicht konkret zur Diskussion stand und von der CS auch nicht angefragt wurde. Es war eine hypothetische Frage an den Chairman der Saudi NB.
5/ Die Aussage fiel in einen Markt, der nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank am 10. März bereits extrem nervös war und unter enorm grossem Stress stand.
6/ Der Aktienkurs der CS brach sofort ein. Noch wichtiger: Die Preise für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) schossen in die Höhe. Das führte auf Bloomberg zu News Flashes wie: «Credit Suisse CDS spreads reach crisis levels»
7/ Der Anstieg der CDS-Preise war für die Finanzmärkte ein Notsignal: Gegenparteien am Interbanken- und Derivatemarkt kappten oder limitierten aus Risikomanagement-Überlegungen ihre Verbindungen zur CS. Das ist die moderne Version einer «Bank Run»-Dynamik.
8/ Eine derartige Dynamik ist extrem gefährlich; sie kann einer Bank, JEDER BANK, innerhalb kurzer Zeit die Liquidität rauben. Der CS drohte akute Gefahr, und sie konnte die Situation nicht aus eigenen Kräften beruhigen. Deshalb musste diese Dynamik durchbrochen werden.
9/ Das geschah mit der Ankündigung substanzieller Liquiditätshilfe (50 Mrd. Fr.) durch die SNB. War das ein staatlicher Bailout? Nein. Liquiditätshilfe im Notfall ist die Aufgabe der Zentralbank. Sie muss die Funktion des Lender of Last Resort (LoLR) übernehmen. Es ist ihr Job.
10/ Lesen: Walter Bagehot, «Lombard Street», 1873: «To avert panic, central banks should lend early and freely, to solvent firms, against good collateral, and at punitive rates.» Nochmals: Es ging darum, eine akute «Bank Run»-Dynamik zu durchbrechen.
11/ Wichtig: Die Zentralbank darf als LoLR eine Bank nur dann mit Liquidität unterstützen, wenn diese solvent ist. Ist die CS solvent? Ja. Sie übertrifft punkto Kapitalausstattung die regulatorischen Vorgaben klar. Die CS übertifft auch die Vorgaben punkto Liquidität klar.
12/ Es ging am Mittwoch also nicht darum, die CS in einer Situation der Illiquidität zu retten. Es ging darum, die «Bank Run»-Dynamik zu durchbrechen und jeglichen Zweifeln an der Liquidität der Bank den Wind aus den Segeln zu nehmen.
13/ War die CS bloss unschuldiges Opfer einer Marktpanik? Nein. Die Bank war seit Monaten als schwächstes Glied in der Kette der global systemrelevanten Banken identifiziert. Selbstverschuldet: Jahrelanger strategischer Schlingerkurs, Skandale wie Greensill, Archegos etc.
14/ Aber wenn die CS solvent ist, wo ist denn das Problem? Sie wird noch Jahre Verlust schreiben. Sie hat in den letzten Monaten enorm viel Business verloren, was den Pfad zurück zur Profitabilität erheblich erschwert.
15/ Simpel gesagt: Der Markt traut ihr nicht zu, in absehbarer Zeit wieder profitabel arbeiten zu können. Der Markt traut ihr in ihrer heutigen Form keine Überlebensfähigkeit mehr zu – abzulesen am Aktienkurs, der mehr als 80% unter Buchwert handelt.
16/ Das führt zur Situation, dass die Bank heute zwar eindeutig solvent ist, der Markt aber nicht mehr an ihre Überlebensfähigkeit glaubt. Wenn nun Leute wie K. Hummler in der @Neue Zürcher Zeitung sagen, sie sähen keine Rettung und die CS müsse abgewickelt werden, giessen sie Öl ins Feuer.
17/ Aussagen wie die von Hummler sind gefährlich (und IMHO in dieser Situation verantwortungslos). Er widerspricht sich sogar selbst: Im gleichen Interview sagt er, die CS sei «ja nicht insolvent, es fehlt ihr bloss an Liquidität».
18/ Was kann die CS jetzt noch tun? Im Prinzip hat sie von der SNB Zeit erhalten, um Vertrauen zu schaffen: Das Vertrauen der Märkte, dass sie als Bank «viable» ist, i.e. ein tragfähiges, profitables Geschäftsmodell hat. Kann das noch gelingen? Es wird sehr, sehr schwierig.
19/ Dieser Aufbau des Vertrauens in ein tragfähiges Geschäftsmodell wäre die Aufgabe von CEO U. Körner und VRP A. Lehmann gewesen. Das ist ihnen bis heute nicht gelungen. Von aussen erhält man leider das Gefühl, sie hätten nie wirklich einen «Sense of Urgency» gezeigt.
20/END Da hilft es natürlich nicht, wenn der CEO nach innen und aussen als schlechter Kommunikator gilt. Aber das ist nur eine subjektive Einschätzung von mir. Vielleicht wird das innerhalb der Bank anders gesehen.
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