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Pedro

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@mfphhh

May 30
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Sullivanismus – the curbs of doom🧵 Um das zögerliche Verhalten der US-Regierung bei der Unterstützung der Ukraine zu verstehen, hilft ein Interview des Sicherheitsberaters Jake Sullivan aus 2020, in dem er Grundzüge der US-Politik beschrieb: [Anregungen von @Sparty] 1/19

Sullivan war sich darüber im klaren, dass die russische Führung lügt, betrügt, und keine Absprachen einhält. Trotzdem sei das Hauptziel der US Diplomatie, irgend eine Art von Beziehung mit Russland aufrecht zu erhalten, um einen direkten Krieg zu vermeiden. 2/19
Sullivan beschrieb seinen Wunsch, die Unberechenbarkeit Putins einzuhegen durch die Eingrenzung des Konflikts mit „Curbs“: Bordsteinen. Durch Eingrenzung in ein Framework soll der Konflikt „manage-bar“ gemacht werden, um eine Ausweitung und Eskalation zu vermeiden. 3/19
Wie sieht so ein Framework aus? Man begrenzt die Eskalation des Konflikts in beide Richtungen: Russland soll auf Angriffe auf NATO-Gebiet und Einsatz von Nuklearwaffen verzichten - der Westen beschränkt die Lieferung und die Einsatzmöglichkeiten von Waffen für die Ukraine. 4/19
Aber wenn Russland diese Begrenzungen nicht akzeptiert und einfach immer weiter eskaliert? Der theoretische Ansatz dagegen wäre, dann die Kosten für Russland so hoch zu treiben, dass die weitere militärische und politische Eskalation irgendwann nicht mehr tragbar ist. 5/19
Die US Regierung brauchte also „Verhandlungsmasse“: Maßnahmen, die man androhen konnte, falls Russland das Framework verlässt. Lieferung von ATACMS Freigabe von US-Waffen auf russische Ziele. Über Androhung dieser „Kosten“ für Russland sollte der Konflikt gemanagt werden. 6/19
Was aber Sullivan dann sagt: Man müsse aufpassen, dass die politischen Kosten sich nicht in eine Abwärtsspirale steigern. Sanktionen, seien sie wirtschaftlich, politisch oder militärisch, dürften uns selbst nicht zu sehr belasten. Das sieht man im Kanzleramt sicher auch so. 7/19
Was geschieht also tatsächlich mit den sogenannten „Curbs? Beschränkungen werden nur der Ukraine aufgelegt. Wenn Russland gesetzte Grenzen überschreitet, werden diese einfach angepasst. Damit alles im Rahmen bleibt - und der Eindruck bleibt, man könne die Situation managen: 8/19
Sullivan verspricht sich vom smarten „Managen“ der Beziehung mit Russland, dass die USA damit „Bandbreite“, die man eigentlich für die Eingrenzung Russlands brauchen würde, zurückhalten können und dann für anderen Weltregionen bereithalten können. 9/19
Putins Strategie dagegen ist simpel: er überschreitet ständig das von der US-Regierung gesetzte Framework und beweist damit, dass die US-Regierung nicht zu konsequentem Gegenmaßnahmen bereit ist. Damit geht Vertrauen in die Zuverlässigkeit der USA verloren. [Symbolvideo:] 10/19
Die Hybris von US-Beratern wie Sullivan, in einer Art Eltern-Rolle die Beziehung zur Russland und damit den Konflikt „managen“ zu wollen, macht die USA zu einem Teil des Problems: Russland zieht sie damit in Mitverantwortung für den Schaden, den es verursacht. 11/19
Darüber hinaus verbreitet Putins Regime das Narrativ, bei einer Niederlage Russlands würde es die innere Kontrolle verlieren und damit drohe ein Zerfall Russlands. Dann drohe unkontrollierbares Chaos von Osteuropa über die Kaukasus-Region bis nach Zentral-Asien. 12/19
Putins Clique macht die USA auch dafür verantwortlich. Leider fallen Akteure der US-Administration aus Hybris darauf herein: mit dem absurden Versuch, eine Beziehung mit Russlands Führung zu etablieren, um in einer Art Elternrolle das ungezogene Kind Russland zu „managen“. 13/19
Der Menschliche Faktor: die Rolle eines „Krisenmanagers“ der die Strippen zieht, ist für Politiker und Berater sehr attraktiv. Sie gibt "Experten" einen Anreiz, die Krise weiter kochen zu lassen um diesen Einfluss zu behalten, anstatt die Krise einfach zu beenden. 14/19
Problematisch dabei: die Ukraine wird bei dieser Betrachtungsweise nicht als handelndes Subjekt und Ziel unserer Anstrengungen gesehen - sondern als ein Mittel, um Russland zu "managen". Damit wird unfreiwillig das Kreml-Narrativ vom Stellvertreterkrieg befeuert. 15/19
Bei diesem Spiel kann der Westen nicht gewinnen. Es ist leichter für Putin und seine Verbündeten, weltweit Chaos und Polykrisen zu stiften -Umstürze in Afrika, Kriege im nahen Osten, auf dem Balkan oder Südamerika - als es für den Westen ist, Ordnung aufrecht zu erhalten. 16/19
Zentraler Denkfehler vieler Theorien über internationale Beziehungen: Die Annahme, Putin handele im Interesse Russlands - und man könne über diese Interessen sinnvoll verhandeln. Aber Putin sind Russlands Interessen egal. Er geht ihm vorwiegend um Macht und Kontrolle. 17/19
Es ist auch nicht unsere Aufgabe, die Interessen Russlands zu bedenken. Jetzt erkennen wohl mehr und mehr westliche Regierungen das "Miss-Management" der US-Regierung und pochen darauf, dass wir UNSERE Werte und Regeln schützen und roten Linien gegen Russland durchsetzen. 18/19
Wir brauchen Russland und den Konflikt nicht zu „managen“. Wir sollten die Ukraine dabei unterstützen, Russland zu besiegen – und damit Völkerrecht durchsetzen. Und wenn Russland rote Linien überschreitet, sollten wir dagegen mit alle erforderlichen Mitteln agieren. 19/19
Pedro

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@mfphhh
Ich kam, um gegen Desinformation anzuschreiben. Und blieb, wegen einer starken Community: #NAFO. Ich bin beim Zukunftsforum in Dresden.
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