Der tschechische Präsident Petr Pavel hat ein Interview zur Lage der Ukraine gegeben. Ein paar der wichtigsten Punkte: 1
Seit 2022 sind alle roten Linien Moskaus überschritten worden, ohne dass die befürchtete Reaktion Russlands eingetreten wäre. In diesem Kontext verweist Pavel auch kritisch auf die langwierigen deutschen Debatten. 2
Der Westen soll der Ukraine alles geben, was sie für ihre Verteidigung braucht. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Angriffe auf dem Gebiet der Russischen Föderation durchzuführen. 3
Auf die Frage, ob für den Angriff auf die Region Kursk auch "tschechische Waffen" benutzt wurden, erklärt Pavel, er wisse es nicht. Es sei aber möglich und vor allem völlig in Ordnung, denn dieses Geschenk an die Ukraine sei nicht mit irgendwelchen Beschränkungen gemacht worden.4
Der Westen hat keine andere Möglichkeit, als die Ukraine zu unterstützen. Dabei geht es nicht darum, "ob wir die Ukraine mögen oder nicht", sondern um die Frage, wie wir leben wollen: in einer Welt mit Regeln oder in einer Welt, die allein von Stärke bestimmt wird. 5
Sollte die Zerstörung von NordStream auf das Konto der Ukraine gehen (Pavel zeigt sich hier sehr vorsichtig), dann wäre dies ein legitimes Ziel gewesen, weil die Leitung zu diesem Zeitpunkt keine kritische Infrastruktur für Europa war. 6
Wann wird der Krieg enden? Erst dann, wenn beide Seiten einsehen, dass sie durch Einigung mehr gewinnen als durch Krieg. Es kann sein, dass der Krieg in eine ganz andere Phase übergeht (er nennt Korea als Beispiel). Aber Pavel hofft auf Verhandlungen. 7
Diese müssten durch andere Mächte unterstützt werden (nennt konkret USA und China). Wirtschaftlicher Druck sei hier wichtig. China sei bislang strategischer Verbündeter Russlands und kommt damit seiner Verantwortung nicht nach.8
Frage nach einem gerechten Frieden: erster Punkt wäre volle Souveränität der Ukraine und Wiederherstellung territorialer Einheit, inkl. Krim. Zweiter Punkt sind Reparationszahlungen durch Russland. Wir alle fühlen wohl, dass das nicht sehr realistisch ist. 9
Wenn ukrainische Gebiete besetzt bleiben, muss die internationale Gemeinschaft dies klar als Besatzung verstehen und benennen. Wir können keine Grenzverschiebung durch Gewalt akzeptieren. Jetzt müssen wir die Ukraine so unterstützen, möglichst viele Gebiete zu befreien. 10
Ein Kompromiss kann notwendig werden. Dieser müsste begleitet werden von der Aufnahme der Ukraine in EU und NATO. Parallel muss es dann Debatten mit Russland über die künftige Sicherheitsarchitektur in Europa geben. Wichtig sind Verträge, z.B. über Nuklearwaffen. 11
Die volle Wiederherstellung der ukrainischen territorialen Souveränität ist wünschenswert, aber keine Voraussetzung für die Aufnahme der UA in die NATO. 12
PoliTalk: Petr Pavel: Spravedlivý mír na Ukrajině je spíš iluze
Webseite der Episode:
https://share.transistor.fm/s/2fd712f6
Mediendatei:
https://media.transistor.fm/2fd712f6/97f2f4bb.mp3…Noch zur Erklärung: ich habe versucht, die Punkte Pavels so neutral und korrekt wie möglich wiederzugeben. Als er vor einer Weile ein Interview zur Ukraine gab, wurde er vor allem auf X verkürzt und falsch zitiert. Dem würde ich gern vorbeugen.
Pavel steht klar auf der Seite der Ukraine. Er sieht Probleme, spricht sich aber extrem deutlich für mehr Unterstützung durch den Westen aus. Die Ukraine soll sich besser verteidigen können. Ein Einfrieren ist für ihn keine Lösung.
Weil hier danach gefragt wurde: Pavel äußert sich auch zur tschechischen Munitionsinitiative. Avisiert waren ursprünglich 800.000 Stück Munition für 1,5 Mrd Kronen. Dies ist bislang nicht gelungen, der Plan ist, bis Ende 2024 500.000 Stück zu liefern. 1
Pavel erklärt diese Diskrepanz so: Die Zahl 800.000 kam damals zustande aus Recherchen über weltweit verfügbare Munition. Realisiert werden konnte jetzt ein Plan, mit dem bis Ende des Jahres monatlich 100.000 Stück geliefert werden. 2
Er betont, dass diese Planbarkeit sehr wichtig sei für die Ukraine, die jetzt nicht mehr sparen muss und ihre Reserven aufbrauchen kann. Pavel zufolge ist der Bedarf jetzt tatsächlich gedeckt. 3
Er verweist auch nochmals auf den Plan, auch im Jahr 2025 mit den Lieferungen fortzufahren, um den Munitionsnachschub zu sichern. 4
Weitere Infos z.B. hier, wo die Rede von guten 1,5 Mrd Euro aus 15 Ländern (plus Tschechien) ist:
https://cedmohub.eu/cs/soucasny-a-byvaly-premier-o-nakupu-munice-pro-ukrajinu/…