Kamalas größte halbe Stunde
Der Höhepunkt eines Nominierungsparteitags einer der beiden großen US-amerikanischen Parteien, ist die Rede des/der Präsidentschaftskandidat*in am letzten Abend.
Nach 3 Tagen mit mitreißenden, pointierten, lustigen, kämpferischen Redebeiträgen – vor allem die von Michelle Obama & Oprah Winfrey sind sehenswert, aber auch die von Bill Clinton kann ich empfehlen – war die drei Tage lang gefeierte und angekündigte Kandidatin an der Reihe.
Und sie hat eine auf den 1. Blick weniger aufregende Rede gehalten, als viele vor ihr: Die letzten Wochen ist sie mit einer 20-minütigen Rede durchs Land getourt, die Trump auf die Schippe nimmt und die an mehreren Stellen mit Wortspielen und Selbstironie zum Lachen bringen soll.
Heute Nacht haben wir eine andere Kamala Harris gehört.
Die gut 30-minütige Rede war ein Rundgang durch die Galerie der demokratischen Errungenschaften und Ziele und durch die Bedrohung durch eine mögliche zweite Trump-Präsidentschaft.
Ausbau der Gesundheitsversorgung, Kampf gegen die Waffengewalt, den Rechtsstaat vor republikanischen Übergriffen schützen, mehr für Bildung tun. Und natürlich: Die Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper.
Harris war ernster aber trotzdem empathisch und sehr eindringlich an den Stellen, die betont werden sollen. Ganz neu zum Beispiel: Ein Dreiminüter nach ca. 27 Minuten, in dem sie über Israel, Palästina und über die außenpolitischen Herausforderungen spricht.
Und über Trumps Naheverhältnis und seine Bewunderung für die Diktatoren der Welt.
Wie ein roter Faden in der Rede: Die Bezugnahme auf ihre verstorbene Mutter & die Werte, die sie ihr und ihrer Schwester mitgegeben habe. Wie eine Klammer, am Anfang und am Ende & einmal mittendrin
Das ist auch ein Echo auf die Obamas, die in der rednerisch stärksten Stunde des gesamten Parteitag Dienstagnacht eine Würdigung von Michelles und Kamalas Mütter und deren gemeinsamen Werte durch ihre Reden geflochten hatten.
Kamala Harris schließt mit einem Bekenntnis zu Amerika, zur Hoffnung in Abgrenzung zum Schreckensbild von Amerika, das Trump zeichne, das Gemetzel, die American Carnage.
Einer der Leitsätze ihrer Mutter für ihre Töchter – „never let anyone tell you who you are – show them who you are“ – wird im nicht enden wollenden Schlussapplaus als Bild für das Selbstverständnis von Amerika aufgelöst.
Ein besonders schöner rhetorischer Kunstgriff und die Krönung einer Rede, die in Tonfall und Nachdrücklichkeit beeindruckt. Keine Rede voller Punchlines wie jene von Michelle und Oprah oder philosophischer Gedanken wie jene von Barack und Bill (Geschlechterrollen anyone?).
Sondern eine klare Botschaft voller gezielter Botschaften, die einen extrem seriösen, ernsthaften, präsidentiellen Gesamteindruck hinterlässt. Schaut sie euch in Ruhe an.
https://www.youtube.com/watch?v=o10x76nSDEY…Es waren ja auch andere da, zum Lachen.
She really went there.
https://www.youtube.com/watch?v=zrWdgQfdhjU…