Koalitionen: Das Risiko Wagenknecht
Die politische Verortung der BSW wird in der Öffentlichkeit im Wesentlichen durch Aussagen der Parteichefin Wagenknecht bestimmt.
Was sagt uns die Substanz aus Wahlprogrammen und Struktur des BSW über Risiken politischer Zusammenarbeit?
1/
Politische Gegner des BSW
Wagenknecht direkt: Eine Koalition zwischen CDU und Grünen sei "noch gefährlicher ... als die Ampel", Deutschland würde dann "kriegstüchtig", militarisiert.
Eine eigene Zusammenarbeit mit der CDU schließt die BSW aber nicht aus, das Problem ist Grün.
2/
Interessant ist, dass SPD und FDP anscheinend, im Gegensatz zur CDU, als die Grünen moderierende Koalitionspartner wahrgenommen werden.
Hauptgegner sind also die Grünen, die man eingrenzen und isolieren muss. Es hätte sich ein "grün-autoritärer" Politikstil ausgebreitet.
3/
In Interviews begründet Wagenknecht ihre Haltung zu den Grünen: Das "moralisieren" "kotze" sie an.
Verknüpft mit dem Vorwurf des autoritären Politikstils wird deutlich: Problem ist die Werteorientierung der Grünen (außen)Politik und der Willen diese politisch durchzusetzen.
4/
BSW Programm - Vergiftete Pralinen?
Die BSW Wahlprogramme spielen mit den Grundängsten der Bürger. Dadurch erscheint die wilde Mischung aus Landes/Bundespolitischen Themen erstaunlich konservativ. Anknüpfungspunkte für andere Parteien sind so vorhanden.
5/
https://x.com/mfphhh/status/1833914249741304025…
Wo steht das Bündnis Wagenknecht programmatisch?
Ist es die neue sozialdemokratische Volkspartei?
Sind es sozialistische Revolutionäre?
Oder ist es nur eine Vorfront-Organisation des Kreml?
Eine Durchsicht der Wahlprogramme in 3 Bundesländern gibt interessante Einsichten:
1/23
BSW Vorteil: Es wird keine geschlossene Vision für Deutschland vermittelt, die bei Koalitionsverhandlungen stören kann. Bezug auf Werte wie "Vernunft" und "Frieden" erscheint Angesichts der aufgeführten Programmpunkte wie ein vorgeschobener Begründungsversuch, Phrasendreschen.
6/
Sicherheitspolitik & Westbindung
BSW fordert vordergründig eine Stärkung der Souveränität Deutschlands und Europas. Eine militärische Verteidigung der Souveränität wird aber bekämpft. Militärische Nutzung von Straßen ist Problem, Ansiedlung von Rüstungsbetrieben wird abgelehnt
7/
Die starke Ablehnung von NATO und Stärkung eigener Wehrfähigkeit sind vor Allem für die CDU problematische Programmpunkte. Aber auch hier bietet BSW Anknüpfungspunkte für CDU-Flügel:
Über die Forderung nach wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit Russland, Import von Öl und Gas.
8/
Eine Zusammenarbeit mit BSW, auch auf Landesebene, hat sicherheitspolitische Bedeutung:
Die radikale Ablehnung von NATO und Wehrfähigkeit, die Hinwendung zu Russland, würden so normalisiert. Statt Ausschlusskriterium würden sie legitimer Verhandlungsgenstand der Parteipolitik.
9/
Zusammenarbeit mit Kader oder Führerpartei?
Die straffe, auf einen kleinen Führungszirkel ausgerichtete Struktur von BSW ist für Zusammenarbeit besonderes Risiko.
Eine pluralistische Partei mit breiter Basis hat Angriffspunkte.
Sachsen: BSW ca. 100 Mitglieder - CDU 11.000.
10/
Klassischer Volkspartien mit tausenden Mitgliedern besitzen im Gegensatz zum BSW verschiedenen partei-internen Strömungen. Diese Strömungen können von BSW gezielt angesprochen, zur Durchsetzung politischer Ziele genutzt werden.
Ein einseitiger Vorteil für BSW gegenüber CDU.
11/
Man kann argumentieren: BSW ist für die Größe der Parteibasis exzessiv übermandatiert. Der Transport von politischem Willen, der in unserer Demokratie gerade auch über Parteimitglieder erfolgt, sei so gestört. BSW bilde eher den Willen einer Elite als den der Wähler ab.
12/
Durch die restriktive Aufnahmepraxis des BSW wird das Missverhältnis zwischen gewonnenen Mandaten und Mitgliederzahl auf absehbare Zeit bestehen bleiben.
Gefahr ist, dass ein Koalitionspartner gegenüber der BSW durch interne Dispute als schwach und unentschlossen erscheint.
13/
Gefahr der Wählermigration
Über Programm und Auftreten von Wagenknecht präsentiert sich BSW eher als konservative und nicht als "linke" Partei.
Bemerkenswert, da BSW eine Abspaltung der Linken ist. Durch die konservative Anmutung ist BSW aber auch für CDU Wähler interessant.
14/
Die Wählermigration in Sachsen liefert erste Hinweise, dass eine Koalition mit BSW die Gefahr der Abwanderung konservativer Wähler in sich trägt.
Gelingt es BSW, die im Programm vorhandenen konservativen Themen aktiv zu besetzen, kann sich dieser Trend weiter verstärken.
15/
Angesichts der starken Betonung bundespolitischer Themen durch BSW ist es denkbar, dass BSW durch Koalition in Ländern auch im Bund normalisiert und wirksam wird.
Wie @Robert Pausch darlegt kann Wagenknecht als Diskurspolitikerin Themen flexibel bespielen.
16/
https://x.com/bertpsch/status/1830522356676043074…
Wagenknecht weiß, wie riskant es ist, sich wenige Monate nach der Parteigründung an zwei Landesregierungen zu beteiligen. Sie weiß aber auch, was für ein mächtiger Hebel die Ost-CDU ist, um die gesamtdeutsche Debatte zu verändern - und in der Folge auch konkrete Policy /6
BSW - Die Normalisierung
Beispiel für die Gefahr der Normalisierung des BSW ist die aktuelle Migrationsdebatte.
Gespräche mit den demokratischen Parteien der Ampel werden abgebrochen während man bei der BSW zur Sondierung vorstellig wird.
Die Ampel ist Gegner, nicht BSW.
17/
Zusammenarbeit mit BSW würde aber nicht nur BSW als Partei validieren - auch die Inhalte von BSW, die bisher Ausschlusskriterium waren, werden so normalisiert.
Die Forderung die NATO zu verlassen z.B. wird implizit akzeptabel. Eine radikale Veränderung politischer Grundsätze.
18/
Mit der inhaltlichen Normalisierung des BSW dürfte auch eine Änderung des politischen Diskurses einhergehen. Wer sich gegen den Diskurs-Ansatz von Wagenknecht durchsetzen will muss fast zwangsläufig zum Populismus statt Sachpolitik greifen.
Dieser Trend ist bereits absehbar.
19/
Wichtiger Grund BSW und AFD zu wählen scheinen Zweifel an der Funktionsfähigkeit der Demokratie zu sein. Koalitionen mit und Normalisierung von BSW haben das Risiko diesen Eindruck weiter befördern.
Das Bild eines "starken Führers" und einer straff geführten Partei verlockt.
20/
Im Wettbewerb demokratischer Parteien mit Jenen, die autokratische Modelle befördern, ist Normalisierung von Populismus besonders gefährlich.
Sie wird Koalitionspartner verleiten ebenfalls autokratische Führungsstrukturen aufzubauen.
Unsere Demokratie kann sich so abschaffen.
END