Mein kurzes und sehr unvollständiges, noch undurchdachtes Fazit aus dem am 12.10.24 zuende gegangenen
@Zukunftsforum in Leipzig:
„Ohne Desinformation und Diskursverschiebung in den Medien, ohne hybride Angriffe Russlands gegen die Ukraine und den Westen wäre der Krieg Russlands gegen die Ukraine ab 2014 unmöglich gewesen!“
@Anastasia Magazova 🌻
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Was Medien in Westeuropa heute erleben, geschah in ukrainischen Medien bereits seit den 90er Jahren. Falschmeldungen, lancierte Propaganda, russische Narrative und fehlgelenkte Diskurse fluteten die Presse, bereiteten den Nährboden für das, was kommen sollte.
2/
https://www.newsguardtech.com/de/special-reports/russland-ukraine-tracking-center/…In Deutschland verstärkte sich dies seit der Pandemie. Aber auch schon vorher wurde die freie Presse angegriffen und verhöhnt: Das Wort „Lügenpresse“ verbreitete sich rasant im Zuge der (später preisgekrönten) investigativen Recherchen, die Tobias Wolf
@Presseclub Dresden 2015/16 über Pegida und deren Führungskräfte veröffentlichte - was zu direkten Bedrohungen gegen ihn und seine Kollegen führte.
3/
Nachrichten und Meinungen sind zwei verschiedene Dinge. Aber Nachrichten ohne Einordnung sind nichts wert, weil die Umstände einer Nachricht und die Zusammenhänge, aber auch die Persönlichkeiten der Menschen, die damit zusammenhängen, immer eine Rolle spielen.
@Arndt Ginzel Arndt Ginzel, Dokumentar-Filmer und Kriegsreporter
4/
Aber was sind Nachrichten überhaupt wert, wenn sie Menschen nicht mehr erreichen können?
@Danylo Poliluev-Schmidt 🇺🇦 hat in seiner Studie herausgefunden, dass 80% der über 200 befragten Student*innen der Uni Potsdam ausschliesslich TikTok, YouTube und Telegram nutzen, um sich zu informieren.
Alarmierend!
5/
Und weil Desinformation gesamtgesellschaftlich wirkt, sind auch die bei uns lebenden ukrainischen Flüchtlinge betroffen - aber ganz anders als wir: Sie sind meist wacher und wehrhafter, was Desinfo angeht, werden jedoch von russischen Akteuren überstimmt. Das führt dazu, dass russische Vereine plötzlich Flüchtlingshilfe für sie übernehmen, damit aber auch grosse Mengen Fördermittel abgreifen und die ukrainische Diaspora dominieren können - was deutsche Behörden immer noch nicht durchblicken.
Mario Bauer von Leipzig helps Ukraine e.V.
6/
In all diesem Wirrwarr aus Nachrichten, Falschmeldungen, hybriden Angriffen und gestresster Gesellschaft gibt es aber auch Möglichkeiten direkter Annäherung.
Kultur!
Literatur!
André Störr vom Verlag Friedrich Mauke will Europa erzählen. Zusammen mit der renommierten ukrainischen Literaturkritikerin Tetiana Trofymenko stellt er seine wichtigen Bücher vor und beschreibt Literatur als Mittler zwischen Völkern und zwischen Zeiten.
Wer den Euromaidan verstehen will, muss „Kämpferinnen“ lesen!
Wer Narrative um den Donbas prüfen will, ohne hinfahren zu müssen, muss „Der Tod des Löwen Cëcil ergab Sinn“ lesen!
7/
Am Abend berichteten Kataryna Pavlova von CRISP Berlin über ein Format aus der Ukraine, bei dem kleine Teams auf deutschen Strassen Gespräche führen zu Fragen der Politik, wobei häufig auch Desinformation und Verschwörungserzählungen diskutiert werden.
8/
https://crisp-berlin.org/de/ Stephan Ort, bekannter Journalist und Bestsellerautor, stellt sein Buch „Couchsurfing in der Ukraine“ vor und berichtet von sehr persönlichen Begegnungen in einem vom Krieg gezeichneten Land - auch er ist für CRISP unterwegs und erzählt von seinen Strassengesprächen in
@Stadt Leipzig am Tag des
@Zukunftsforum.
9/
https://www.stephan-orth.de/live.htmlWeil ich am Freitag nacht noch nach Hause zurückfahren musste, um am Samstag früh erneut anzureisen, und weil die A14 unerwartet für lange Stunden gesperrt war, habe ich Professor Gestwa verpasst.
Ich hab noch nie so getobt während einer Wartezeit im Stau.
Sollte der Polizist, den wir angebrüllt haben, auf X sein: Es tut mir leid! Sie können ja nix dafür!
ABER PUTZEN SIE DIE VERDAMMTE OBERLEITUNG DEMNÄCHST BITTE NACHTS!
10/
Weil wir die Ukraine als inhärenten Teil des freien Europa sehen, aber gleichfalls die anderen befreiten Staaten des ehemaligen Ostblocks und der Sowjetunion genauso im Blick haben wollen, hatten wir stellvertretend Georgien und die Slowakei zu Gast.
Prof. Andronikashvili vom Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung sprach über seine Heimat Sakartvelo und die schmerzhaften Schritte der Regierung in Richtung Diktatur - gegen den Willen der Zivilgesellschaft.
11/
Prof. Zaal Andronikashvili beschrieb, wie die georgische Oligarchie vor allem in der Person Bidzina Ivanishvili und über dessen Partei „Georgischer Traum“ das Land beeinflusst, da er über ca. 1/5 des georgischen Reichtums und 40% der Medien verfügt. Mit hochaggressiven Kampagnen und Schüren von Angst soll Georgien zurück in eine Diktatur gedreht werden. Die Wahlen am 26. Oktober könnten für das Schicksal des Landes entscheidend sein!
Über die Zivilgesellschaft Georgiens befragt, sagte
@Zaal Andronikashvili
„In Ländern wie Georgien und Ukraine weiss man: Demokratie muss man täglich erkämpfen mit Krallen und Zähnen!“
12/
Prof. Martina Winkler, Leiterin der Abteilung Osteuropäische Geschichte an der Uni Kiel, berichtete uns eindrücklich über die Situation in der Slowakei. Sie beschrieb, wie das Rechtswesen systematisch verändert wurde, um Korruption zu erleichtern, wie der Öffentliche Rundfunk vernichtet und der Kulturbereich gesäubert wurde, um kritische Stimmen zu unterdrücken und die Zivilgesellschaft zu schwächen.
13/
https://www.google.com/amp/s/www1.wdr.de/kultur/kulturnachrichten/kunstfreiheit-slowakei-nationalismus-100.amp…Prof. Winkler beschrieb, was genau die slowakische Demokratie im Innersten angreift:
- Mafia-Strukturen statt starken demokratischen Strukturen
- schwache Regierung
- Desinformation
- Populismus
50% der Slowaken sind bereits in Verschwörungstheorien verfangen.
Viele Punkte erinnerten an die Berichte aus Georgien und auch daran, was vor 2014 in der Ukraine versucht wurde.
14/
@Martina Winkler:
„Opposition ist nicht möglich, weil der politische Gegner als Feind verstanden wird und eben nicht als Gegner, was wir auch in Deutschland sehen können. Das ist eine extrem gefährliche Entwicklung!“
15/
Mit in diesem Panel: Thomas Franke, Osteuropa-Experte, Autor, Journalist.
Er ist eben erst aus Georgien zurückgekehrt, kennt Russland von innen, auch Aserbaidschan und die Ukraine. Er kritisiert den Umgang der Medien mit Informationen, auch denen aus diesen Ländern, was unsere Sicht verzerrt.
„Lügen einer Recherche gegenüberzustellen, ist keine Ausgewogenheit!“, sagt er.
Aber er kritisiert auch uns, die Gesellschaft: „Untätigkeit ist eine Massenvernichtungswaffe!“
16/
Schliesslich in einem Panel Berichte über russisch okkupiertes Leben in der Ukraine und Zivilisten in russischer Gefangenschaft, vorgetragen von
@Natalija Bock 🇺🇦✌️ und
@Liusiena Zinovkina .
Liusienas Mann ist als Zivilist gefangen genommen worden und seit Monaten verschollen. Zivilisten werden nicht wie Kriegsgefangene behandelt und ausgetauscht. Ihr Schicksal ist bislang kaum Thema in Nachrichten gewesen, aber es gibt viele von ihnen.
17/
Liusienas Bericht bewegt alle im Saal. Es ist still. Man reicht sich Tempos. Niemanden lässt das kalt.
Natalija hat einen zoomCall in die Ukraine organisiert. Sie hat kürzlich eine Einrichtung besucht, die sich um befreite Familien kümmert, die sehr oft traumatisiert sind und Hilfe benötigen.
Der Leiter,
@Mykola Kuleba, Gründer von Save Ukraine, berichtete von seiner Arbeit und den Schicksalen vieler Familien, die unter russischer Okkupation lebten und befreit werden konnten.
18/
Mitgebracht hat er einen 18jährigen Jungen, der sein zuhause, seine Familie, sein ganzes bisheriges Leben verlor und nun in Kulebas Einrichtung lebt und betreut wird, damit er - trotz dramatischer Erlebnisse und Verluste - überhaupt eine Zukunft hat.
Auch sein Bericht, angesichts des Inhalts mit unglaublicher Ruhe und Gefasstheit vorgetragen, herzzerreissend.
19/
https://www.saveukraineua.org/mykola-kuleba/Zwei weitere grossartige Panels hab ich nur unvollständig oder gar nicht wahrnehmen können:
@Joerg Lau,
@Heike Winkel Heike Winkel (bpb) und
@Enchantée 🎗 in einem spannenden Gespräch über Sprache/Worte/Begriffe und ihren Einfluss in Diktatur und Demokratie und das grosse Abschlussgespräch am Samstag mit
@Annette Werberger @Andreas Umland und Thomas Franke
@Thomas Franke.
20/
Davon hab ich aus organisatorischen Gründen einfach zu wenig mitbekommen, und das macht mich traurig - denn live dabei ist wirklich ganz anders als Nachhören auf YouTube.
Natürlich veröffentlichen wir in Kürze erste Eindrücke auf unserem Kanal, nach Sichtung und Post Production dann auch alle Panels.
21/
https://youtube.com/@zukunftsforumdresden?si=VH4y1Ha2VNHkkYip…Zusätzlich gab es auch noch eine Ausstellung mit Bildern der Fotografin Katya Moskalyuk, die den Krieg und seine Folgen sichtbar machen - die Bilder bleiben in Leipzig und werden im Büro des Bürgermeisters zu sehen sein.
22/
https://www.instagram.com/kathryn_moskalyuk?igsh=d2RkendndG5ncm8%3D&utm_source=qr… Eine weitere Ausstellung mit Bildern von Menschen aus Mariupol habe ich leider nicht dokumentiert.
Sie basierte auf dem Buch „Eyes of Mariupol“, das Geschichten von Menschen und Verteidigern der gefallenen Stadt aufzeigt.
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https://mybookshelf.com.ua/en/ochi-mariupolya?srsltid=AfmBOopJh3wpGNIIuhH3xbgIiJJuZsTSwRv7y0cRvN_zpoDIb5hH1wJ4… Es fehlt so viel in diesem Thread: Begegnungen, Gespräche, Verpasstes, die abendlichen lauten, wundervollen Treffen im Beyerhaus Leipzig, das Gefühl, unter besten Freunden zu sein und in einer Stadt, die sich anschickt, als leuchtendes Beispiel in Sachsen Demokratie und Offenheit zu symbolisieren.
24/
Danke!
An alle im Team
@Zukunftsforum, an jene, die mitgewirkt haben, an die grossartige
@Stadt Leipzig und das Demokratie-Referat, an unsere Speaker, unsere Gäste und all jene, die uns umsorgt und die mitgeholfen haben, dieses Forum zu etwas Besonderem zu machen!